Evangelische Kirchengemeinde Kraftsdorf

Geistliche Impulse für den Küchentisch in den Festzeiten des Kirchenjahres....

 

An dieser Stelle finden Sie ab und an Andachten, Gebete, Predigten aus zurückliegenden Gottesdiensten.

 

Predigt über Joh 20,11-18 am Ostersonntag, 20.04.2025 in Rüdersdorf

Maria am Grab

Liebe Gemeinde,

Wenn ich sie sah, war ihr die Trauer ins Gesicht geschrieben. Nun schon vor vielen Monaten hatte sie ihren Mann begraben müssen. Das Grab pflegte sie seitdem wie ihre eigene gute Stube. Im Winter steckt sie kunstvoll Tannengrün ineinander, und deckt den Grabplatz ab. Jetzt im Frühjahr ist das Grab bunt mit frischen Blumen bepflanzt. in Lila und weiß, stets ein frischer Blumengruß von ihr. Abends ist sie meist die letzte Besucherin auf dem Friedhof. Jetzt stand sie still vor dem Grab ihres Mannes. Als wir uns treffen im Halbdunkel, ich mit ner schweren Kiste Gesangbücher, die ich gerade aus dem Gemeindezentrum herüberschleppe, sage ich zu ihr: Kommen sie doch morgen mit dazu. Es ist unser erster Gemeindegottesdienst in der frisch geputzten Kirche. Es ist Ostern, der Kirchenchor singt. Es wird ein richtiger Festgottesdienst.“ „Genau davor hab ich Angst.“ sagt sie. „Ich kann nicht. Ich will mit meiner Traurigkeit nicht eure gute Laune verderben. Wissen Sie, dort in der Kirche musste ich mich von meinem Mann verabschieden und alles war so furchtbar traurig und jetzt stehen da, wo die Urne war, der Kirchenchor und singt fröhliche Lieder. Außerdem bin ich kein Kirchenmitglied, habe immer einen großen Bogen drum gemacht und jetzt bin ich jeden Tag auf dem Friedhof und der Kirche so nah wie nie. Das ist doch verrückt oder, das bekomm ich nicht zusammen. Einmal stand sie bei mir vor der Tür, Nur wir beide haben miteinander geredet. Was denken die Leute, wenn ich jetzt zum Pfarrer gehe? Dachte sie noch, aber ich kann nicht anders. Wissen Sie, sagte sie zu mir: Mich ziehts jeden Tag hierher zu meinem Mann ans Grab. Lange steht sie nach getaner Arbeit dann immer davor, still und in Gedanken und Erinnerungen versunken. Ihre Gebete klingen anders, als die laut gesprochenen in unserer Kirche. Warum fragt sie dann immer wieder. Und dann redet sie leise mit ihrem Mann. Als er noch bei mir war, haben wir uns nicht soviel zu erzählen gehabt. Aber soviel hatten sie noch vor gemeinsam, manche Streitpunkte konnten nicht mehr aus der Welt geschafft werden. Plötzlich und unerwartet ist er verstorben, so stand es in der Traueranzeige. Was so nüchtern klingt, ist nur schwer zu verarbeiten, denn es bleibt keine Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Von Jetzt auf Gleich war nun für sie nichts mehr wie es war. Das Leben muss ja weitergehen. Diesen Satz der Nachbarn hat sie im Ohr. Und weiß doch wie schwer das jetzt für sie ist.

Maria am Ostermorgen – stand früh am Morgen auf. Ihre Traurigkeit, der Schmerz über den Tod des Mannes hat sie die ganze Nacht wachgehalten. So unendlich weh tut das, noch immer. Was geschehen war, konnte sie nicht verhindern. Warum lässt sich die Zeit nicht einfach zurückdrehen, ein Leben ohne ihn, wie soll das gehen? fragt sie sich seitdem.

Am Ostersonntag macht sie sich auf. Sie geht zum Friedhof. Dort steht mitten drauf die alte Kirche. Von weitem schon sieht sie, dass die Türe offensteht. Bald beginnt der Ostergottesdienst. Draußen vor der Tür wünschen sich die ersten fröhliche Ostern, und grüßen schon von ferne. Schaff ich das heut wirklich: Fröhliche Ostern zu feiern, obwohl ich so traurig bin. Wie immer macht sie einen großen Bogen um die Kirche, geht erst mal mit ner grünen Gießkanne direkt zum Grabplatz ihres Mannes. Niemand wundert sich, das machen viele so. Wieder einmal ist einer der Tonengel umgefallen, wahrscheinlich waren es die Nachbarskatzen. Die frisch gepflanzten Blumen brauchen Wasser. Sie zündet am Ende ein neues Grablicht an, liest den Namen ihres Mannes am Stein, Ruhe in Frieden und gib mir doch auch Frieden bittet sie still für sich. Aus der Kirche hört sie leise das Einsingen des Chores. Der Ort wo sie ihn begruben, der marmorne Grabstein mit aufgesetzten Bronzebuchstaben, alles wirkt so anders unter diesem Gesang: Der Herr ist auferstanden.

Bei Johannes im 20 Kapitel heißt es: 11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab  12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu seinem Haupt und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.  13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.  14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist.  15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.  16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!  17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.  18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt. 

Jetzt läuten die Glocken und rufen zum Gottesdienst. Maria wischt sich eine Träne aus dem Gesicht, fasst sich Mut und betritt die Kirche und setzt sich in die letzte Reihe. Wie dicht doch Abschied und neues Leben aufeinander fallen können, denkt sie sich beim Blick auf das Kreuz, links und rechts die Blumen und Grün auf dem Altar. Sie spürt, was es sie an Kraft kostet, heute hier zu sein. Wenn sie in die Gesichter der Besucher blickt, muss sie sich noch immer erinnern daran, wie sie ihr damals kondoliert haben. Und wie es weiterging am Grab mit Händedruck und Umarmung und vom Bestattungshaus hat sie die lange Liste der Trauergäste überreicht bekommen. Heute sieht sie dieselben Gesichter wieder, nur verändert. Sie sieht die ausgelassene Freude und Fröhlichkeit. Wie Kinder zwischen den Bankreihen umherlaufen und Mütter und Väter hinterherhechten. Sie hört kaum das volle Geläut der Glocken dort in ihrer Bankreihe, so ein Gebrummel ist noch als der Gottesdienst anfängt und erst die Orgel in forte sorgt für Ruhe. Damals, so erinnert sie sich, war es mucks Mäuschen still die ganze Zeit. Statt mit vollem Geläut war damals nur eine Glocke, die Sterbeglocke, unerbittlich zu hören. Die läutet heute übrigens auch, aber im Zusammenspiel mit den anderen klingts fröhlich und lebendig. Gestern noch Tod und Ende und heute Freude und Dank für neues Leben. Gestern noch die große Stille und Fassungslosigkeit – heute festliche Klänge, Kinderstimmen, fröhliche Gesichter und das am Ostermorgen.

Wenigstens ist ihr das kahle mannshohe Holzkreuz geblieben. Das stand schon zur Trauerfeier da. Das ist da am Karfreitag, das steht auch am Ostersonntag. Daran heftet sie ihren Blick fest. Während nun die Gemeinde das Eingangslied singt, treten plötzlich aus den Bankreihen Menschen heraus, um das Holzkreuz mit mitgebrachten Blumen zu schmücken. Eine richtige Schlange von Menschen jung und alt, groß und klein und jeder hat Blumen in der Hand. Das Kreuz, noch gestern Zeichen des Todes wird sichtbar zum Zeichen des Lebens heute. So muss Ostern sein, das ist Auferstehung, Ein farbenfroher Blumenteppich, an dem das Leben haftet, wächst empor am kahlen Kreuz und die Gemeinde singt ihr Halleluja dazu. Auch sie reiht sich jetzt ein, traut sich, steht auf und geht vor in den Altarraum. Sie bindet ihre mitgebrachten Blumen an das Kreuz, Die wollte sie eigentlich ans Grab stellen, aber als sie sah, dass so viele mit Blumen die Kirche betraten, nahm sie auch einfach welche mit hinein, nur um nicht aufzufallen. Als sie zurück an ihrem Platz ist, schaut sie nochmal nach vorn zum von Blumen geschmückten Kreuz. Durchs Fenster fällt jetzt Licht drauf, das macht es noch wunderbarer. Und da erwischt sie sich, wie sie lächelt, so schön sieht das aus. Ihr erstes Lächeln und sie dachte sie könne nicht mehr Lachen nach dem Tod ihres Mannes. Der Herr ist auferstanden singt die Gemeinde. Jetzt singt sie zögernd mit. Erst leise, fast nicht hörbar, die Texte und Melodien sind ihr fremd, aber Halleluja singt sie aus vollem Herzen: Gelobt sei Gott.

Monate später kommt Maria wieder zur Kirche. Heute trägt sie das erste Mal kein Schwarz. Wie immer wenn sie hierher kommt, geht sie noch einmal zum Grab, bevor sie in die Kirche geht. Das gehört für sie dazu. Den Grabplatz, hat sie liebevoll bepflanzt aus bunten Blumen wie ein Kreuz mit Anemonen, Tulpen und Narzissen. Das hat sie sich abgeschaut damals in diesem Ostergottesdienst.

Heute sitzt sie nicht in der letzten Reihe sondern ganz vorne und singt mit: Osterlieder: Der Herr ist auferstanden und mein Mann und auch ich, Halleluja. Jemand hatte sie einst angesprochen und auch zm Seniorenkreis eingeladen, damit sie mal rauskommt unter Leute. Sind noch ganz rüstig, die Alten, hätte sie nicht gedacht. Die Gemeinschaft tut ihr gut, miteinander Reden und Singen und auch beten. Und dann hat sie sich überlegt, auch ganz dazuzugehören. Getauft war sie ja schon. Deshalb ist sie in die Kirche wiedereingetreten. Was wohl ihr Mann dazu sagen würde? Sie hats ihm erzählt am Grab und wusste, dass es richtig war. Ein Jahr später – es ist wieder Ostern geworden, geht sie verändert den Weg zu Ihrer Kirche und Friedhof hinauf. Ganz anders als damals –denkt sie sich -  komme ich heute hierher. Statt Trauer und Ohnmacht wie damals spüre ich endlich wieder Leben in mir. Eine Kreuzkette trägt sie jetzt. Damals Ostern gleich nach dem Gottesdienst hat sie sie herausgekramt aus der alten Schatulle. Seitdem trägt sie sie mit Stolz und Dank. Heute ist für sie ihr Ostern, Deshalb ist sie hier. Sie feiert ihre Auferstehung. Sie gehört jetzt zu den Protestleuten gegen den Tod, wie der Theologe Blumhardt es sagen würde. Für sie ist Auferstehung das Aufstehen gegen den Tod. Das hat sie selbst so erfahren. Am Ende sagt sie froh: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.“

 

Predigt im Gottesdienst zum Hl. Abend 2024 in Niederndorf, Pörsdorf und Kraftsdorf

Der Weihnachtsfrieden hat es schwer

Ich bin froh, dass Weihnachten ist. Das Gerenne in den Tagen zuvor hat nun ein Ende. Der Schreibtisch ist aufgeräumt, die Wohnung geputzt, der Baum geschmückt, die letzten Geschenke zusammengepackt. Jedes Jahr dasselbe Gerenne, die gleiche innere Unruhe, die innere Zerrissenheit zwischen Heiliger Nacht und unheiligem Tagesgeschäft. Der Weihnachtfriede Gottes hat es schwer in diesen Tagen im Verpflichtungswahn des eigenen Alltags.

Er hat es noch viel schwerer, wenn ich in diesem Jahr einen Blick über meine eigene kleine Welt lenke. Weltweit ist der Friede auf dieser Welt ist so fragil und brüchig wie lange nicht mehr: Es knarrt an allen Enden der Erde. Nicht nur im Nahen Osten und in Osteuropa scharren die Militärstrategen mit ihren Hufen oder lassen gleich selbst die Säbel rasseln. Die Angst, mehr zu verlieren als dazuzugewinnen, macht sich breit im Hause Europa. Diese Angst nährt sich durch Bilder und Nachrichten, vor denen wir kapitulieren, weil wir meinen, wir können nichts dagegensetzen. Längst hat der Krieg der Meinungen und Überzeugungen hier bei uns Hochkonjunktur, online wie offline. Wir rechnen nicht mit Frieden. Wir berechnen ihn nur: Wieviel Geld dafür in die Hand genommen werden muß, wieviele Waffen dafür nötig sind, wieviele Flüchtlinge wir jetzt wieder zurückschicken können, weil man mit solchen Zahlen gut Wählerstimmen holen kann.

Wir haben uns in unserer Blase eingerichtet. Überall sehen wir Unfriede im Schwebezustand, durch den Ängste und Befürchtungen wachsen. Könige bleiben unter sich, Hirten auf dem Feld ebenso und mittendrin Menschen wie Maria und Joseph im Dunkel der Nacht. Hin und Hergerissen zwischen der Freude über die kommende Geburt und dem Befehl des Kaisers gehen sie los. Hin- und hergerissen zwischen dem Licht göttlicher Verheißung und dem Dunkel irdischer Wirklichkeit kommt Gottes Sohn heute auch zu uns. Hin- und hergerissen zwischen unserem Traum von einer heilvollen Welt und der Welt wie wir sie kennen, berührt uns ihre Geschichte so sehr.

Ich bin froh, dass Weihnachten geworden ist. Denn ich sehe wie ihr auch in dieser Hl. Nacht das Versprechen wie es sein soll. Wenigstens einmal im Jahr den Traum weiter träumen, der nicht im Gestern stehen bleibt, sondern mir die Gelassenheit und Zuversicht gibt, zu hoffen, zu glauben und loszugehen wie Hirten und Könige es taten. Wenigstens einmal im Jahr volle Kirchen und erwartungsvolle Gesichter. Wenigstens einmal im Jahr zusammen mit anderen spüren: Was bisher geschah, liegt hinter uns. Jetzt beginnt eine neue Geschichte Gottes mit dir und mit mir und Engel sagen am Anfang: Fürchte dich nicht!

Hirten und Könige machen sich auf, kommen zusammen unter dem Stern von Gottes Verheißung. Nicht dort wo wir eigentlich gedacht hätten, dass Gottes Sohn zur Welt kommt mit Glanz und Gloria und in warmen Stuben, nicht dort wo wir Gott gerne hätten, sondern dort wo er gebraucht wird, nicht dort wo eh schon gesungen und gebetet wird, sondern nebenan wo es zugig und kalt und ungemütlich ist, wird Gottes Sohn geboren. Da verändert sich die alte Welt wie wir sie kennen. Die Geschichte mit Maria, Joseph, den Hirten und den Königen, läßt mich nicht los. Sie weitet den Blick, mein Herz und meine Sinne für das was Gott noch mit mir und mit seiner Welt vorhat.  Es ist, als ob ich selbst durch Gott mit hineingenommen werde, wie sich was verändern kann in mir und durch mich.

Ich bin wirklich froh, dass Weihnachten geworden ist. Ich bin dankbar, weil die Verrücktheit meiner eigenen Welt, dieses Sorgen und um mich selber kreisen eine Unterbrechung bekommen hat. Morgen- dann wenn der Morgen nach der Hl. Nacht anbricht, wenn dieser heilige Moment , den ich so gerne festhalten möchte,  meinem Alltag weichen wird, dann will ich losgehen. Und was wir hier gehört, gesehen, besungen und gebetet haben, möchte ich weitertragen und die Verheißung der Engel bei mir – ihr fürchte dich nicht ist wie ein Rückenwind von Hoffnung und Zuversicht.  Wie Hirten und Könige will ich losziehen und Gott und seinen Möglichkeiten mehr zuzutrauen als unserem Machbarkeitswahn oder unserer Ohnmacht. Ich will sagen können: Ja das schaffe ich und Ehre sei Gott in Höhe statt nur um sich selbst zu kreisen. Ich will zusammen mit anderen Gottes Shalom als Hoffnung und Verheißung in den Himmel und hier auf Erden malen. In diesem Sinne, Gottes Friede und kein anderer sei mit uns allen heute und alle Tage. Amen.

 

 


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